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70.3 WM Nizza, ein heisses Pflaster.

  • robinhermann
  • 11. Sept. 2019
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Sept. 2019

Weltmeisterlich war die Location, weltmeisterlich war der Kurs, weltmeisterlich war das Teilnehmerfeld, nur meine Performance war nicht ganz so weltmeisterlich, wie erhofft. Für mich kam es nicht ganz so überraschend, dass ich an diesem Wettkampf nicht mein volles Potenzial ausschöpfen konnte. Trotzdem konnte ich schlussendlich das Beste aus den Mitteln die mir zur Verfügung standen machen und kämpfte bis zum Schluss.



Mit der grandiosen Qualifikation und dem fantastischen ersten Rang in meiner AK beim 70.3 in Rapperswil konnte ich mir das ersehnte Ticket für Nizza schnappen. Ich spriesste förmlich vor Motivation nach dem grossen Erfolg und wollte mich gleich wieder ins Training stürzen. Aber halt! Da stehen ja noch die Basisprüfungen an der ETH auf dem Programm! Zehn Prüfungen sind es an der Zahl und diese dauerten bis nur eine Woche vor der WM an. Leichtsinnig stürzte ich mich also in die kommenden zwei Monate voller Training und Prüfungsvorbereitungen. Es verging nicht viel Zeit, als ich einsah, dass das Pensum so zu hoch ist und habe im Training zwei Gänge runter geschalten. Es fiel mir keines Wegs einfach das Training zu vernachlässigen, jedoch musste ich in der Prüfungsphase der ETH Priorität einräumen.

Ich muss mir auch eingestehen, dass ich teilweise organisatorisch einige Fehler begangen habe, jedoch musste ich diese machen um festzustellen wie ich es nächstes Mal besser machen kann.




Fast forward zum Wettkampf im Nizza.

Im Vorfeld bin ich die Radstrecke noch abgefahren, um mir ein Bild von der langen Abfahrt des Col de Vence zu verschaffen. Eigentlich nichts Spezielles, aber wenn man am Tag des Rennens im "Racemode" mit fast 4000 anderen Athleten auf der Strecke fährt, sind Vorkenntnisse äusserst hilfreich und tragen zur eigenen Sicherheit bei.

Die restlichen zwei Disziplinen benötigten keine Besichtigung. Zum Erstaunen vieler Teilnehmer wurde beim Briefing ein Wetsuit-Swim angekündigt, wegen Wassertemperaturen von 24°. Üblicherweise würde ich dies begrüssen, jedoch empfand ich das Wasser so warm, dass ein Wetsuit eher einer Sauna gleichen würde, weshalb ich einen Non-Wetsuit-Swim vorgezogen hätte.





Sonntag 8. September, morgens um 05.00h - Zeit den Wettkampftag in Angriff zu nehmen. Nach dem üblichen Frühstück ging es zur Wechselzone für die letzten Anpassungen am Rad. Und einen Anfängerfehler hatte ich auch noch auszumerzen. Meine Socken habe ich völlig vergessen in meinen Laufbeutel zu verstauen, so musste ich sie in meiner Bikebox deponieren und vor der zweiten Wechselzone einfach nicht vergessen!! Dann kam noch die frohe Kunde, dass der Wetsuit verboten ist, obwohl das Frauen-Rennen am Tag zuvor mit Wet-Suit war. Um 07.00h musste ich die Wechselzone verlassen und es begann das lange Warten. Mein Start war erst um 08.51h - glücklicherweise konnte ich mich noch kurz auf's Ohr legen (Danke Edina!).



Nach ein paar Armzügen im wohlig warmen Mittelmeer, bei welchen ich mich ziemlich gut fühlte, galt es ernst. Angespannte Stimmung zwischen den Jungs in meiner Altersklasse, jeder möchte zeigen was er "drauf" hat. Noch ein paar Glückwünsche an und von den Schweizer Mitstreitern, "Super Sportsmen"!

Dann, der Start. Mit der fünften Welle rannte ich den steinigen Strand runter in die brechenden Wellen. Sofort fand ich meinen Rhythmus und konnte mich frei von anderen Mitstreitern im Wasser bewegen. Das Meer war ziemlich unruhig und man musste öfters mit kleinen Wellen kämpfen. Beim Rausschwimmen hatte ich ein gutes Gefühl und konnte immer wieder einmal einen Athleten der eine Welle zuvor startete einholen. Zwei Konkurrenten platzierten sich ebenfalls an meinen Füssen, ungewohnt, aber irgendwie ein Ansporn. Der erste Richtungswechsel stand an und somit ca. 200 Meter bis zur nächsten Wende Boje. Das waren wahrscheinlich die besten 200 Meter vom ganzen Schwimmen. Ich schwamm direkt auf die Boje und hatte so richtig Zug auf den Armen. Drei, vier Athleten konnte ich überholen und was mich noch mehr erstaunte, war, dass eine riesige Gruppe links von mir einen ziemlichen Umweg schwamm. So war ich wieder in einer grösseren Schwimmgruppe nach der zweiten Boje, was mich jedoch aus dem Konzept brachte. Da wir auf Athleten der vorherigen Altersklasse aufschwammen, gab es ein ziemliches Durcheinander und ich verlor meinen Rhythmus und das gute Gefühl. Auch meine Orientierung war völlig ausser Kontrolle. So verlor ich sicher noch ein, zwei Minuten auf dem Rückweg. Insgesamt benötigte ich 30 Minuten und 36 Sekunden für die Schwimmstrecke, was eigentlich im Rahmen meiner Erwartungen ist - insbesondere bei einem Non-Wetsuit-Swim.




T1 war ein Desaster, mein Beutel wollte nicht aufgehen. Ein Knoten - keine Ahnung wer diesen gemacht hat - liess mich verzweifeln, da ich meinen Helm nicht aus dem Beutel brachte. Eine Minute verlor ich damit und so auch den Anschluss zu einigen Konkurrenten, an welchen ich mich hätte orientieren können.




Auf dem Bike ärgerte ich mich nur kurz über den unnötigen Zeitverlust und fokussierte mich auf den Kurs und die vielen Teilnehmer. Schnell fühlte ich mich wohl auf dem Bike und konnte viele Konkurrenten auf den flachen Anfangskilometern einholen. Doch schon nach 12 Kilometer kamen die steilen Rampen, welche ich mit viel Respekt und Zurückhaltung in Angriff nahm. Viele meiner AK sprinteten förmlich den steilen Anstieg hoch - ohne Rücksicht auf Verluste. In den flachen Passagen sind die meisten jedoch wieder eingegangen und ich konnte sie hinter mir lassen. Dann folgte der Col de Vence mit einem etwa neun Kilometer langen Anstieg. Eigentlich kein Problem für mich, mit sieben Prozent Steigung. Natürlich bin ich als eher schwerer Athlet eher benachteiligt, jedoch dachte ich, dass ich dies mit meiner Kraft überspielen kann. Am Fuss des Anstiegs lies ich einige Konkurrenten ziehen mit dem Hintergedanken mich etwas zu schonen und nicht zu überziehen. Im Nachhinein war dies eine schlechte Entscheidung, da ich so mein Potenzial nicht voll ausschöpfen konnte und eher auf Sparflamme lief. Ich denke, ich hätte mich anders auf das Strecken-Profil einstellen und in den ersten steigenden Kilometern mehr riskieren sollen - anders als bei einem flachen Kurs. Die Abfahrt war fantastisch und ich liebte es, so richtig Gas zu geben, doch leider gab es auch einige Abschnitte bei denen ich Vernunft walten liess und waghalsige Überholmanöver unterliess - entsprechend wurde ich von einigen Teilnehmern etwas ausgebremst. Es waren doch einige Athleten im Strassengraben zu sehen und auch nach dem Wettkampf begegnete man noch einigen Sturzopfern. Schlussendlich benötigte ich 2 Stunden und 35 Minuten für die tolle, aber anspruchsvolle Strecke.




T2 steht an und Ich bereite mich schon mental auf das Laufen vor. Noch einmal richtig Verpflegen und unbedingt die Socken in der Box nicht vergessen. Mit den Socken im Trikot verstaut hüpfte ich vom Rad. Die Wechselzone war lang, sehr lang! Es war kein einfaches Unterfangen den Abstellplatz zu finden, aber ich verlor keine Zeit und konnte mir den Beutel schnappen rassig in die Socken und Schuhe schlüpfen. Auf Geht's!!



Die Beine fühlten sich o.k. an, mal schauen was drin liegt; dachte ich mir. Ich zügelte mein Tempo, da ich wusste, dass es ein heisser Lauf werden würde. Dies bemerkte ich dann auch. Nach passablen fünf Start-Kilometern folgte eine Krise. Mir war heiss und meine Beine wollten nicht mehr. Was ist die beste Massnahme? Genau! Verpflegen und kühlen. Wie auch schon in Rapperswil nahm ich mir an einer Aid-Station Zeit für zwei richtige Wasserbecher und kühlte meinen Körper so gut wie es ging. Und wie ein Wunder, war ich nach ein paar Minuten wieder "quick fidel". Somit wurde die zweite Runde zur Aufholjagd. Ich hatte keine Ahnung mehr wo ich stehe. Zu Beginn des Laufes war ich 35., und bei Kilometer 13 meldet mir mein Vater, dass ich an 32. stelle bin, ziemlich mau...

Aber da seien noch ein paar meiner Altersklasse gleich da vorne, ruft er mir zu. Zack, der Schalter ist gekippt und ich war im Tunnel, Pacman!

Nur noch drei Kilometer standen an als ich nochmal eine Ansage bekam.

"Top 25 sind drin, gib Vollgas!"; schrie mein Vater. Ich quälte mich noch bis ans Äusserste und bis einen Kilometer vor dem Ziel machten die Beine da auch mit, doch dann wurden sie wie Blöcke. Zum Glück schien dies bei meinen Konkurrenten nicht anders und ich lief an 24. Position auf die Zielgerade, wo auch Svenja und meine Mutter auf der Tribüne warteten, welche mir doch noch ein Lächeln auf das Gesicht zauberten.





"Alles in allem" also doch kein ganz so schlechter Tag. Die Weltmeisterschaften waren für mich eher eine Lehre und dazu da um mehr Erfahrungen in einem starken Feld von Spitzenathleten zu sammeln. Es zeigte mir auch auf, dass es bei einem so hohen Level keinen Trainings-Einbruch erlaubt um ganz vorne mit zu mischen. UND! Man(n) muss bei den Weltmeisterschaften bereit sein auch mal mehr Risiko einzugehen. Positiv ist, dass ich mich mental zum Schluss wieder aufraffen konnte und so meinen Körper noch einmal überdurchschnittlich fordern konnte.



Nun freue ich mich auf eine etwas ruhigere Off-Season die ich eher auf dem MTB oder dem Crosser verbringe als auf den TT-Bars oder der Laufbahn. Und dann bin ich gespannt auf den neuen Aufbau und die frischen Trainingsreize mit meinem Coach Marcus Kahler, welcher ab jetzt so richtig schalten und walten darf.


Sportlicher Gruss

Robin




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