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  • robinhermann

Experiment Ironman

Als ich meinen Coach, Marcus Kahler, sieben Wochen vor dem Ironman Switzerland in Thun mit meinem Plan konfrontierte dort zu starten, war erst mal ein paar Minuten Funkstille... Nach der Europameisterschaft in Elsinore trainierte ich während drei Wochen nach Lust und Laune, sozusagen eine Mid-off-Season und anschliessend war ein langsamer Aufbau für den 70.3 Sardinien geplant. Stattdessen wuchs in mir die Idee heran, "spontan" am Ironman Thun teilzunehmen. Unter der Bedingung nicht mehr einen grossen Aufwand zu betreiben, da ich bis eine Woche vor Thun noch mit den Prüfungen an der ETH beschäftigt war. Zu meinem Erstaunen kam ein euphorisches "ich bin dabei, beim "Experiment"" von Marcus zurück und der Start an meinem ersten Ironman war Tatsache.


Die Trainings-Wochen vor dem Ironman Thun hatten das Ziel meine Form aufrecht zu erhalten, eigentlich sechs Wochen Tapering. Da ich bis zum Hals mit den Prüfungen beschäftigt war, konnte ich mir keine Sorgen machen. Grundsätzlich hatte ich keine Angst den Ironman nicht zu finnischen. Jedoch war ich mir sehr bewusst, dass ich mit meinem Formstand, meine Erwartungen zurückschrauben und mich auf anspruchsvolle letzte Kilometer einstellen muss.


Fünfter September, in der morgendlichen Dämmerung bereitete ich mich mit zahlreichen Mitstreitern für den langen Tag vor. Die Stimmung am Thunersee war elektrisierend. Die atemberaubende Bergkulisse, welche sich auch im ruhigen und klaren Thunersee spiegelte lies die Nervosität verblassen und als der Schweizer Psalm erklang, erwärmte sich mein Herz. "Ich bin read" dachte ich mir und war voller Vorfreude auf das Neue und einzigartige Erlebnis. Ungefähr in der fünften Startreihe begab ich mich in das kalte Wasser und nahm die leider nur drei Kilometer in Angriff. Während den ersten zwei Kilometer fühlte ich mich ganz in Ordnung, halt die Distanz die ich mir gewohnt war. Auf dem letzten Kilometer habe ich jedoch einige Athleten vorbeiziehen lassen müssen. Mir fehlt einfach noch das nötige Stehvermögen im Schwimmen um eine solide Pace während der ganzen Distanz aufrecht zu erhalten. Dank der verkürzten Strecke hielt sich mein Defizit jedoch in Grenzen und ich stieg auch sehr relaxed und frisch aus dem Wasser.




180 Kilometer durch die wunderschöne Berner Landschaft erwarteten mich. Die Strecke rekognoszierte ich im Vorfeld nicht, was jedoch nicht so schlimm war bis auf einige Kurven, welche ich etwas zackiger hätte anfahren können. Mein Gefühl auf dem Rad war fantastisch, schnell fand ich einen angenehmen Rhythmus und pflügte meinen Weg nach vorne. Dass ich dabei während den ersten sechzig Kilometern beinahe mit meiner 70.3-Leistung unterwegs war, erklärte dieses Phänomen. Bei etwa dieser Marke bin ich auf eine starke Gruppe aufgefahren, bei der ich wusste, dass "Flucht" zwecklos wäre. Dort begann ich mir dann das erste eigene "Loch" zu graben. Meistens war mir das Tempo in den flachen und leicht abfallenden Passagen etwas zu niedrig, wodurch ich dort oft die Spitze der Gruppe übernahm und Tempo bolzte. Der Bumerang kam dann an den Aufstiegen, wo ich als schwerster Athlet der Gruppe deutlich mehr Leistung auf die Pedale bringen musste und nicht vom aerodynamischen Vorteil profitieren konnte. In der Abfahrt Richtung Thun distanzierte ich einige der Passagiere und wir begaben uns als harmonierende Dreiergruppe auf die zweite Runde. Erstes Fazit war, das läuft ja wie geschmiert :)

Erwartungsgemäss platzte der Riemen doch noch und zwar genau nach 130 Kilometern beim Anstieg nach Belp. Wie eine Wand kam der Einbruch, Widerstand war zwecklos... Die Gruppe musste ich selbstverständlich ziehen lassen und irgendwie versuchte ich eine Lösung zu finden um mein Energiedefizit wieder zu kompensieren. Teilweise habe ich "Sternchen" gesehen und meine Beine waren komplett dicht. Flasche leer. Auf den nächsten dreissig Kilometer versuchte ich die Speicher best möglich wieder aufzufüllen und einigermassen voran zu kommen. Dabei wurde ich von einigen Athleten überholt, welche ich zuvor distanziert habe. Komisches Gefühl, vor allem weil ich auf dem Rad nicht damit gerechnet hatte. Aber mein Pacing war etwas naiv und meine Unerfahrenheit über diese Distanz machte sich bemerkbar. "Rookiemistake", "gehört dazu", habe ich mir gesagt. Auf den letzten zwanzig Kilometer konnte ich dann die Leistung etwas hochschrauben, jedoch war ich mental schon beim Lauf und wollte kein Risiko mehr eingehen. Insgesamt habe ich dann eine Viertelstunde eingebüsst im Vergleich zur ersten Runde.



Als erster meiner AK erreichte ich die Wechselzone. "Alles mit Gemütlichkeit", dacht ich mir und setzte mich erst mal hin um meine Socken und Schuhe anzuziehen. Hatte keinen grossen Zeitverlust zur Folge, wahrscheinlich war es in meiner Verfassung sogar der schnellere Weg. Raus aus der Wechselzone und ab auf die 42.2 Kilometer. Zu meinem Erstaunen fühlten sich die Beine ganz passabel an. Nach einem Kilometer standen 04:00 auf der Uhr. "Ok, ok, jetzt nur nicht wieder den gleichen Fehler machen". Aber dann dachte ich mir, "was man hat, das hat man". Super Devise! Also rannte ich weiter in ungefähr 04:10 pace, vor allem als ich hörte wer mir im Nacken sitzt, Randy! Trainings-Kollege und ebenfalls Athlete von Marcus, befand sich nach dem Rad nur 12 Minuten hinter mir. "Das kann schnell weg sein", dachte ich mir. Ausserdem überlegte ich, wenn ich früh im Marathon den Abstand vergrössere, würde die Hoffnung des Verfolgers nachlassen. Falsch gedacht! Nach dem Halbmarathon in 4:15 Pace stieg der Abstand nur auf 14 Minuten. Randy blieb hartnäckig und büsste nur wenig Zeit ein, unterdessen machte sich bei mir jedoch die Erschöpfung bemerkbar. Den Toilettenstop konnte ich auch nicht umgehen, was mir einiges an Zeit kostete. Die zweite Hälfte des Marathons wurde zum Abnutzungskampf. Zeitgleich mussten wir unserem hohen Tempo Tribut zollen und bewegten uns "nur" noch zwischen 5:30 und 6:00 Pace. Zu diesem Zeitpunkt war mir dies nicht bewusst. Deshalb versuchte ich die Pace irgendwie noch hoch zu halten trotz den schmerzenden Oberschenkeln und dem komplett gelehrten Tank. Die Aid-Stations absolvierte ich im Gehen und versuchte mit allen Mitteln noch etwas Energie aufzunehmen. Zwischendurch gab es Passagen bei dehnen ich gehen musste. Was dachten sich die Athleten die ich immer wieder überholte und umgekehrt... Als ich das letzte Mal in der Stadt Thun vorne war, wusste ich, jetzt gehts nur noch zurück. Die letzten Kraftreserven konnte ich mobilisieren und lief einigermassen kontrolliert Richtung Finish Line. Angekommen auf dem red carpet, verschwanden die Schmerzen und ein Rausch von Energie durchströmte mich. "You are an Ironman!" wird mir zugerufen, was für ein unfassbares Gefühl! Mit 09:10:39 durchquerte ich den Ironman-Bogen und sicherte mir damit den Sieg in meiner Altersklasse und das Ticket für Kona. Dass ich den Tag im Ziel mit Randy feiern durfte und mit ihm auf dem Podium stand, war ein weiteres Highlight. Randy brachte mich ans Limit und auch er hat sich die Zähne ausgebissen ;). Ich freue mich auf viele weitere Trainingseinheiten, Wettkämpfe oder Skitage mit ihm... Ausserdem war es auch der Abschied der grossen Triathlon-Ikone, Ronnie Schildknecht, welchen ich im Zielraum auch noch beglückwünschen durfte.



Vielen Dank den vielen Trainingskollegen, Freunden, meinem Coach und vor allem Eltern, die den Tag unvergesslich machten und mich während dem Wettkampf anfeuerten. Ohne Euch wären solche Leistungen nicht möglich.

Als Schlussfazit, kann ich sagen, dass unser "Experiment" erfolgreich war. Mein erster Ausflug auf die Langdistanz habe ich sehr genossen und konnte viele wertvolle Erkenntnisse mitnehmen für die Zukunft. Mein Körper ist immer noch im "Shutdown-" Modus, aber ich kann es kaum erwarten mich auf Hawaii 2022 vorzubereiten und meine Leistungsfähigkeit über die Langdistanz weiter auszubauen.


Aloha 🌺🤙



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